Hunden steht – zumindest nach menschlichem Empfinden – das schlechte Gewissen ins Gesicht geschrieben, wenn sie etwas angestellt haben. Für manche Hundebesitzer ist es deswegen unverständlich, wie Bello den 17. Schuh zerbeißen konnte, obwohl es die 16 Male vorher ja schon deutlichen Ärger dafür gegeben hatte. Die Folge des „Erwischt Werdens“ ist ein ängstlicher Blick, sind hängende Ohren, ein eingezogener Schwanz – je nachdem, wie groß das Donnerwetter ist, das der Hund in der jeweiligen Situation erwartet. So, wie Menschen schuldbewusst schauen und ein schlechtes Gewissen zeigen, wenn sie bei etwas Peinlichem, Verbotenem oder zumindest Fragwürdigem ertappt werden, interpretieren wir dieses Gefühl auch in das Verhalten des Hundes.
Experten gehen allerdings davon aus, dass Hunde kein Gewissen in dem Sinne haben, wie wir Menschen es kennen. Sie leben von Situation zu Situation und reagieren immer nur auf das, was sich ihnen gerade präsentiert. Der Schuh von Herrchen stand da so nutzlos und verlockend herum – es machte doch einfach nur Spaß, ihn ein wenig anzubeißen und darauf herum zu knabbern. Außerdem lenkt es von der schlimmen Einsamkeit so ganz alleine ohne Familie ab. Im Eifer des Gefechts vergisst der Hund dann schon einmal, dass man eigentlich striktes Verbot hat, etwas kaputt zu beißen. Doch nun öffnet sich die Türe, Herrchen oder Frauchen steht da – und sofort erkennt Bello, dass die Laune nicht zum Besten ist. Innerhalb von Sekunden Bruchteilen reagieren wir Menschen auf unser Umfeld – und ebenso schnell erkennt ein Hund den Wechsel einer Stimmung, sieht eine Veränderung der Mimik, eine Geste und so weiter. In kürzester Zeit treten oben sowohl erkennbarer Ärger beim Halter und die genannten Anzeichen von Angst beim Hund auf – er wird automatisch beschwichtigen, um einer Predigt oder vielleicht einer Strafe doch noch zu entgehen. Beim nächsten Mal kann es aber dennoch durchaus passieren, dass wieder ein Hausschuh, Gartenclog oder der am Abend schnell ausgezogene Damenpumps ein Opfer der Knabberlust des Hundes werden. Und genauso zwangsläufig kommt auch dann wieder die Furcht vor der Reaktion der Hundehalter, wenn man dann wieder ertappt wird.
Selbständige Gefühlsreaktionen von Hunden zu erwarten, ist also eher vergebliche Mühe. Zur direkten Empathie sind Hunde nicht fähig, ebenso zum komplizierten Komplex, ein Gewissen zu zeigen. Dass unser vierbeiniger Schatz sofort angerannt kommt, wenn wir zu Tode betrübt, weinend irgendwo sitzen, liegt nicht daran, dass der Denkprozess „Meinem Menschen geht es schlecht, ich muss ihn trösten!“ beim Hund stattfindet. Er reagiert auf unsere Körpersprache mit seinem Wunsch, dem Menschen zu gefallen und gibt dabei alles, um gefällig zu sein. Er gibt Pfötchen, kuschelt und leckt die Tränen ab, sucht intensiv Aufmerksamkeit und Nähe. Wir Menschen missverstehen dies als Mitleid. Ebenso strahlen wir Menschen aber auch über unsere Körpersprache Freude aus – einzig logische Reaktion des Hundes: Er freut sich mit, wedelt, springt, tollt herum. Signalisieren wir Hundehalter Entspannung, passt sich auch der Hund an: Er legt sich auf seinen Platz oder in Menschen’s Nähe und ist – bis zum nächsten Impuls, den wir aussenden, beruhigt und zufrieden. Das Wissen darüber, dass Experten behaupten, Hunde sind nicht zu eigenständigen Gefühlen und direkter Empathie fähig, soll uns aber nicht weiter bekümmern; wir genießen es, dass die treuen Seelen einfach für uns da sind, wann immer wir sie brauchen. Und im besten Fall das Gleiche auch an sie zurückgeben.