Aller Anfang ist schwer: Den Welpen sozialisieren und eingewöhnen

Im Alter von wenigen Wochen verlässt der Welpe seine Geschwister und seine Mutter, um in sein neues Zuhause einzuziehen. Alles, was er bis dahin kannte, muss er zurücklassen und kommt innerhalb kürzester Zeit in eine komplett fremde Umgebung. Die Aufregung um die Verabschiedung von bisher bekannten Menschen hat er noch nicht verdaut, da prasseln allerlei neue Eindrücke auf den jungen Hund ein. Kein Wunder, dass er Stress zeigt, unsicher ist, sich zurückziehen möchte und dass an diesem Tag aber auch wirklich so gar nichts klappen mag.

Holt man sich den Welpen vom Züchter, trennt man Bande, die mehr oder minder fest gestrickt sind. Je nachdem, wie sich die Hundezüchter und Tierliebhaber um den Wurf gekümmert haben, ist ein Bezug aufgebaut, natürlich aber sehr innig ist im Alter von wenigen Wochen noch das Band zwischen Mutter und Welpe beziehungsweise zwischen Geschwistern eines Wurfes. Es kann sogar sein, dass das Jungtier in seiner bisherigen Heimat schon Katzen oder andere Haustiere kennenlernen konnte. Von einer ausreichenden Sozialisierung ist dennoch noch lange keine Rede.

Leider geschieht es, dass die Freude über einen neuen vierbeinigen Mitbewohner im Haus so sehr überwiegt, dass man dem Tier im Überschwang der Gefühle in den ersten Tagen viel zu viel zumutet. Die Kinder wollen kuscheln, streicheln und spielen, etliche Menschen kommen vorbei, um den Neuzuwachs anzuschauen. Dazu kommt eine neue Wohnung, eine fremd riechende Einrichtung, unbekanntes Terrain zum Gassi gehen und natürlich auch nie gesehenes Spielzeug, mit dem Hinz und Kunz vor der Welpennase herum wedelt. Erste Erziehungsversuche paaren sich mit Lauten des Entzückens… irgendwann ist die kleine Fellnase so bratfertig, dass sie einfach umkippt und schläft. Vor Aufregung hat sie an diesem Tag 3 Mal Pipi in die Wohnung gemacht, kein Stückchen Futter angerührt und, noch schlimmer: Das instinktive Fluchtverhalten bei Überforderung wurde von den neuen Menschen als Spielwunsch interpretiert und somit gnadenlos übergangen, was den Welpen natürlich verunsichert und über Gebühr stresst.

Wie sehen die ersten Tage mit einem Welpen aus?

Kommt ein junger Hund ins Haus, muss man sich darauf gut vorbereiten. So kann eine Familie Kontakt zum Züchter ihrer Wahl aufnehmen und dort bereits einige Besuche planen, dass der junge Hund nicht zu total fremden Menschen kommt, sondern diese zumindest schon einmal geschnuppert und gesehen hat. Ansonsten ist es auch sehr wichtig, dass die ersten Tage die Menschen möglichst viel, am besten rund um die Uhr, Zeit haben, um den Kleinen entsprechend zu empfangen und durch die Trennung vom ersten Zuhause zu begleiten. Für Berufstätige bedeutet dies, sich Urlaub zu nehmen. Wenn die Kinder zeitweise in der Schule sind, bringt dies ein wenig mehr Ruhe in die ersten Tage der gemeinsamen Jahre mit dem Hund.

Verwandte, Freunde und Nachbarn sollten ihre Neugier zügeln, bis der Welpe einige Tage bei seinen neuen Bezugspersonen verbracht hat, regelmäßig frisst und ein wenig im Alltag angekommen ist. Ansonsten muss es Ruhezeiten geben, an die sich auch Kinder im Haushalt zu halten haben. Am besten bereitet man für den Welpen einen abgegrenzten Bereich vor, an den er sich jederzeit zurückziehen kann und darf. Dort hat dann keine Störung zu erfolgen – dieser Bereich ist tabu.

Schon bald nach den unsicheren ersten Schritten in der Wohnung wird der kleine Racker anfangen, dieses neue Reich kräftig unter die Lupe zu nehmen. Alles muss beschnuppert werden, alles ist neu und spannend. Wird der Hund dabei begleitet, kann dies gleich für das Einüben vom Kommando „Nein“ oder „Aus“ genutzt werden. Knabbert er am Hausschuh, sollte er gleich kapieren, dass das nicht gewünscht ist und der Hund es deswegen zu unterlassen hat. Ohne Schläge, Geschrei oder andere furchtbare Strafen – aber mit einer Konsequenz, die keine Ausnahme duldet. Was dem Vierbeiner einmal erlaubt wird, wird er immer wieder tun – was man gleich als „Untat“ definiert, muss später nicht als schlechte Angewohnheit aberzogen oder toleriert werden.

Ausgiebiges Kuscheln, Loben und Spielen stärkt ab dem ersten Tag die Bindung zwischen Mensch und Tier. Aus dieser Bindung wird unerschütterliches Vertrauen, von dem Hund und Halter ein Leben lang profitieren.

Wichtig: Der Charme des Baby Hundes muss manchmal ignoriert werden – so schwer dies auch fällt. Das erleichtert die Erziehung und stellt die Rangordnung klar. Alle Flausen, die sich Welpen durch ihr süßes Aussehen erstritten haben, bleiben vielleicht ein Leben lang im Alltag erhalten – oder müssen mühevoll später abtrainiert werden.

Sozialisierung in jede Richtung

Schon mit etwa drei Wochen beginnt die wichtige Phase der Sozialisierung bei jungen Hunden. Intensiv genutzt werden kann diese Zeit bis in den vierten Lebensmonat hinein. Die Ahnen heutiger Haushunde nutzten diese Zeit, um Rangordnungen im Rudel zu erkennen, sich in verschiedensten Situationen richtig zu verhalten. Zwar keine Sprache, aber dennoch eine Art der Kommunikation durch Laute, Körpersprache und Reaktionen wurde früher und wird heute in diesen wichtigen Wochen erlernt. Alles, was ein junger Hund in dieser Zeit kennenlernt, weiß er in seinem Leben einzuordnen – was nicht bedeutet, dass er zum Beispiel die Katze zwangsläufig toll findet, die ihm als Mitbewohner präsentiert wird. Jedoch sind diese prägenden Monate auch die Zeit, in der Fehlverhalten am leichtesten korrigiert werden kann und der Hund es schlichtweg lernt, im Sinne eines friedlichen Miteinanders sein Verhalten zu kontrollieren. Dazu ist natürlich eine Hundeschule mit entsprechend ausgebildetem Personal die allerbeste Methode. Da kaum ein Welpe mit 3 Wochen schon beim endgültigen Besitzer angekommen ist, muss man weitermachen, wo die Sozialisierung beim Züchter beziehungsweise am Geburtsort geendet hat. Schwieriger ist dies natürlich bei einem wild geborenen Straßenhund aus dem Ausland, als bei einem behütet und vorbildlich von einem erfahrenen Züchter betreuten Wurf.

➨ Obwohl die Sozialisierung sehr wichtig ist und nicht auf die lange Bank geschoben werden sollte, brauchen Welpe und Menschen einige Tage, um eine Art Alltag stattfinden zu lassen. Die Menschen erfahren in diesen Tagen mehr über den Charakter ihres neuen Lieblings, der Hund gewinnt an Selbstsicherheit und fühlt sich geliebt und zuhause angekommen. Nun /nach etwa der ersten Woche) sind die Weichen gestellt, um mit den Übungen in jeder Richtung zu beginnen.

Die Sozialisierung läuft parallel zur weiteren Erziehung

Begonnen wird natürlich bei jedem jungen Hund mit dem Erlernen der wichtigsten Alltagskommandos. Üben, üben, üben heißt es, bis Sitz und Platz, Bleib und so weiter zuverlässig funktionieren. Nacheinander beginnt man dann auch mit dem Thema Sozialisierung. Nicht alles auf einmal, eher Schritt für Schritt, aber stets darauf vorbereitet, dass auch etwas Unvorhergesehenes passieren kann – das Eichhörnchen, das beim Gassigehen erspäht wird, ist auch ein Teil der Aufgabe!

Menschen:

Wer sich daran hält und nur den engsten Familienkreis zum Welpen lässt, wenn er frisch angekommen ist, beginnt nach der ersten Woche damit, das Tier mit anderen Menschen zu konfrontieren. Die gute Freundin, die Schwiegermutter, die Freunde der Kinder (bitte nicht alle auf einmal!) – so lernt der Hund zum einen, dass für ihn unbekannte Menschen ins Haus kommen, die ihn ansprechen, ihn streicheln, die zum Essen bleiben und so weiter. Je nach Charakter und bisherigen Erfahrungen des Tieres reichen die Möglichkeiten der Reaktionen von Freude über die zusätzliche Zuwendung über Verteidigungsgehabe bis hin zu angstbedingter Aggression. Je nachdem, in wie weit das Ergebnis der Konfrontationen mit verschiedenen Menschen zufriedenstellend ist, muss mit dem Hund zusammen an der Problematik gearbeitet werden. Dass sich die „neuen“ Menschen ein wenig zurücknehmen müssen und das Tier nicht überfordern sollen, muss ihnen natürlich gesagt werden.

Schreiende Kinder, ein zu harscher Ton eines Besuchers oder übertrieben fiepsiges Gesäusel müssen nicht sein. Normal ist am allerbesten. Gehen die Besucher in die Hocke, warten geduldig die Reaktion des Welpen ab und gehen dann auf das Tier ein, ist dies für den Kleinen am verträglichsten. Kindergeschrei und Co lernt er dann eine Phase später. Sind Familie und Besucher „abgearbeitet“ geht die Sozialisierung mit entgegenkommenden Menschen in einem Park weiter – die irgendwann dann auch Hunde dabei haben oder auf dem Fahrrad fahren und so weiter. Alles zu seiner Zeit und am besten nacheinander.

Alltag:

Auch mit „Dingen“ oder manchen Aktivitäten muss sich ein Hund vertraut machen. Man kann nicht erwarten, dass Busfahren oder ein Stadtbummel in der Fußgängerzone wirklich schön für einen Welpen sind, der das alles zum ersten Mal erlebt. Dieses Kapitel der Sozialisierung, die den individuellen Alltag einer Familie betrifft, sieht in jedem Haushalt anders aus. So gehört das Auto oder auch ein Wohnmobil dazu, wenn der Hund damit in den Sommerurlaub mitfahren soll und vieles mehr.

Die ersten Erfahrungen in all diesen Belangen sollten mit einem ausgeschlafenen, sprich aufnahmefähigen Hund gesammelt werden und als eine Art Schulstunde gewertet sein. Also keinen dringenden Arzttermin als Ziel der gemeinsamen Busfahrt nutzen, sondern eine Fahrt ins Blaue, auf der man sich entsprechend um den Hund, seine eventuellen Ängste und so weiter kümmern kann, ohne dabei selbst in Stress zu geraten. Auf der Liste der Alltags-Sozialisierungen stehen Lokalbesuche (am Anfang möglichst kurz), der Tierarzt und viele andere Unternehmungen. Zu früh ist es aber noch für körperliche Belastung, also lange Wanderungen, Joggen oder Radfahren usw. Das alles muss warten, bis die Muskulatur, die Knochen und Sehnen belastbar sind. Beginnt man damit zu früh, können Gelenkschäden und andere schmerzhafte Erkrankungen die Spätfolge sein.

Andere Hunde:

Mit anderen Hunden kommen die Welpen nicht nur im eigenen Haushalt zusammen, wenn dort schon andere Artgenossen wohnen. Es kann sein, dass schon ein am Gartenzaun vorbeilaufender Hund zur ersten außerfamiliären Begegnung führt. Spätestens in der Hundeschule oder beim Spazierengehen lässt sich der Kontakt aber dann definitiv nicht mehr vermeiden. Auch hier muss nach Charakter und Verhalten des Hundes entschieden werden, ob und in welchem Maße der Welpe eine spezielle Erziehung in Hinblick auf andere Hunde erforderlich ist. Die Reaktionen reichen auch hier von Freude bis Panik, von Spielen bis Aggression inklusive Beißen – oder Fluchtversuchen.

Theoretisch passt in dieses Kapitel auch der Umgang mit jeglichen anderen Haustieren – Katze, Hamster, Vogel und Schlange müssen dem Welpen vorgestellt werden. Mit professioneller Unterstützung gelingt es in den meisten Fällen, zumindest eine friedliche Koexistenz zu schaffen – eine Garantie, dass Hund und Katze irgendwann gemeinsam in einem Körbchen kuscheln, gibt es aber nicht.


 

Kai Nagel

Kai Nagel

Über den Autor
Kai Nagel ist Geschäftsführer der ältesten Hundefutter-Manufaktur der Welt, Bubeck, die seit 1893 besteht. Geboren in eine Familie mit einer tiefen Verwurzelung in der Landwirtschaft und der Tierernährung, bringt Kai über 50 Jahre Erfahrung und ein umfassendes Verständnis für die Bedürfnisse von Hunden mit. Seit die Familie Nagel die traditionsreiche Firma 1982 übernommen hat, setzt Kai die Vision fort, hochwertige Hundefutterprodukte zu entwickeln, die Gesundheit und Wohlbefinden von Hunden fördern. Mit seiner Leidenschaft für die Tierernährung und seinem umfangreichen Wissen teilt Kai in seinen Blogartikeln wertvolle Tipps und Einblicke, um Hundehaltern zu helfen, die bestmögliche Ernährung für ihre Vierbeiner zu finden. Bubeck füttert die Hunde!

Geschäftsführer bei R.Bubeck & Sohn

Kategorien: Erziehung Hund

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